Verordnung zum Umgang mit einer Kindsmörderin
Nürnberg, 14. Juli 1598
Nachdem in Nürnberg mehrere Leichen neugeborener Kinder gefunden wurden, setzte der Rat der Stadt eine Geldsumme für Hinweise zur Ergreifung der Täterinnen aus. Zugleich verwies er auf schwerste Strafen für eine Kindsmörderin und alle, die sie in irgendeiner Form – aktiv oder durch Schweig
en – unterstützten. Nicht nur war das Töten des eigenen Kindes an sich „unchristlich und unmenschlich“, ungestraft befürchtete der Rat eine Strafe Gottes für das ganze Land.
Mit der Frühen Neuzeit verschärften sich die gesellschaftlichen und kirchlichen Vorstellungen über Moral, Ehe und Sexualität. Die Mutter eines unehelichen Kindes musste mit offensiver Bloßstellung und lebenslanger Schande rechnen. Das Kind war von jeder regulären Ausbildung und jedem ehrlichen Beruf ausgeschlossen. Bei den belegten Fällen von Kindstötungen stammen zumeist beide Eltern aus den unteren sozialen Schichten, der Tat vorausgegangen war häufig ein gebrochenes Heiratsversprechen.
Die vorliegende Verordnung ist die erste einer Reihe zum Thema in Nürnberg – die Fälle nahmen zu. Die Mütter und damit wahrscheinlich die Täterinnen konnten jedoch nur selten ausfindig gemacht werden, die meisten Fälle dürften gar nicht bekannt geworden sein. Zwischen 1510 und 1777 wurden 94 Todesurteile wegen Kindsmord vollstreckt. Fast alle diese Kinder waren unehelich geboren worden.
Literatur
Wilhelm WÄCHTERSHÄUSER, Das Verbrechen des Kindesmordes im Zeitalter der Aufklärung. Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung der dogmatischen, prozessualen und rechtssoziologischen Aspekte (Quellen und Forschungen zur Strafrechtsgeschichte 3), Berlin 1973, S. 111–113 und S. 126.